„Wer bin ich?“, so heißt ein sehr bekanntes Gedicht von Dietrich Bonhoeffer, das er während seiner Haft im Militärgefängnis Berlin-Tegel im Sommer 1944 schrieb. Die Frage, wer wir sind, stellt sich uns jedoch nicht immer in allen Situationen unseres Lebens. Wenn wir einen Platz im Leben gefunden haben, an dem es uns gut geht, dann ist diese Frage irgendwie beantwortet, auch wenn wir die Antwort nicht in klare Worte fassen können.
Ganz anders sieht es aber aus, wenn in unserem Leben irgendetwas durcheinander gerät, und wir uns plötzlich unsicher oder schwach fühlen. Dann wird die Beantwortung der Frage, wer und was wir sind, existentiell. Es mag durchaus sein, dass wir trotz unserer Unsicherheit von unseren Mitmenschen als stark und selbstsicher wahrgenommen werden, so wie es Bonheoffer zum Beispiel auch in seinem Gedicht beschreibt. Wer und was wir wirklich sind, hängt nicht an unserem Erfolg oder Misserfolg. Auch das Bild, was andere von uns haben, ist nicht der Maßstab dafür, wer und was wir sind.
Aber wer und was sind wir nun eigentlich? Der Apostel Paulus gibt Antwort auf die Frage in seinem Brief an die Korinther. Gott ist es, der ihn unabhängig von seinen Leistungen und seinem Können, aus Gnade angenommen und erlöst hat. Gott hat aus Paulus einen großen Missionar und Apostel gemacht, unabhängig von seiner dunklen Vergangenheit. Allein das ist es, was auch in unserem Leben zählt und was für die Ewigkeit Bestand hat. Gott sieht nicht auf unsere Leistungen oder unsere Geschichte. Gott sieht Christus, seinen geliebten Sohn, wenn er uns ansieht. Weil Christus alles vollbracht hat, was vor Gott zählt und Bestand hat, dürfen wir sein was wir sind. Wer an ihm hängt, der bleibt und lebt in der Gnade Gottes, die uns gilt.
Als getaufte Christen können auch wir die Frage, wer wir sind, klar beantworten, egal wo wir gerade in unserem Leben stehen und egal, wie andere Menschen über uns denken oder urteilen mögen. „Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“, so heißt es am Ende von Bonhoeffers Gedicht. Mit anderen Worten: Durch die Gottes Gnade sind wir, was wir sind – nämlich Gottes geliebte Kinder!
Gott schenke und erhalte uns in der Gewissheit, dass wir um Christi Willen seine geliebten Kinder sind, damit auch unser ganzes Leben von kindlicher Freude erfüllt sei. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen/Euch eine gesegnete Sommer- und Urlaubszeit,
Ihr/Euer Pfarrvikar Tino Bahl