Liebe Gemeinde, liebe Leser!

Ein guter Hirte käme wohl kaum auf die Idee, seine Schafe unter ein Wolfsrudel zu schicken, weil er genau weiß, dass die Wölfe über sie herfallen und sie zerreißen würden. Da mag es uns irritieren, warum Jesus, der ja von sich sagt: „Ich bin der gute Hirte“ (Johannes 10, 11), seine Jünger wie Schafe mitten unter die Wölfe sendet.

Aber entspricht Jesu Sendung nicht genau der Wirklichkeit, in der wir Christen uns in dieser Welt wiederfinden? Mit dem Gebot der Nächsten- und Feindesliebe sind wir den scharfzahnigen Angriffen der Welt geradezu wehrlos wie Schafe ausgesetzt. Da müssen wir noch nicht mal auf die jüngsten Christenverfolgungen im nahen Osten oder mittleren Afrika schauen. Sehr deutlich kann man auch hierzulande erfahren, wie Christen immer wieder regelrecht zerrissen werden, wenn sie an Gottes unfehlbarem Wort festhalten und versuchen, in der heutigen Gesellschaft ihr Leben ernsthaft daran auszurichten oder in die Gesellschaft hineinzuwirken. Wer das gewissenhaft versucht, wird wissen, wovon ich rede, und wie Gottes Ruf zur Umkehr zerrissen wird.

Doch wir sind nicht ausgesendet, um gefressen zu werden, sondern von DEM Zeugnis zu geben, DER uns gesandt hat – damit aus den „Wölfen“ „Schafe“ werden. Bei diesem Auftrag sind wir nicht allein und vor allem nicht wehrlos, wie es auf den ersten Blick scheint. Christus hat uns zugesagt, bei uns zu sein „alle Tage, bis an der Welt Ende.“ (Matthäus 28, 20) Gott selbst steht für das Wirken seiner Botschaft in der Welt ein, Kraft des Heiligen Geistes. An uns liegt es lediglich, diese Botschaft möglichst klug und aufrichtig in Wort und Tat unter die Menschen zu bringen. Nicht umsonst heißt es in einem volkstümlichen Sprichwort „Ehrlich währt am längsten und Lügen haben kurze Beine“, weil sich aufrichtiges Verhalten immer in Wort und Tat erweist und wo es nicht übereinstimmt, sich selbst als falsch und lügnerisch überführt. Darum sagt Jesus auch: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“ (Matthäus 5, 37)

Die größte Gefahr besteht für Christen darin, sich der Mehrheitsmeinung der Welt einfach anzupassen, weil allgemein gültige Wahrheiten nicht mehr akzeptiert werden. Darum ist es umso wichtiger, sich mit klugen Argumenten wehren zu können, genauer Bescheid zu wissen als die Anderen und vor allem auf die Argumente der Welt vorbereitet zu sein, um sich in der Nachfolge Jesu zu behaupten – nicht mit Gewalt – sondern mit dem göttlichen Wort.

Getrost sollen wir gerade unter den Wölfen Christus an unserer Seite wissen, der ja auch von sich sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ (Johannes 14, 6) Schließlich haben wir in IHM nicht irgendeinen Hirten, der uns hilflos unter die Wölfe sendet und dann im Stich lässt, sondern in IHM haben wir den guten Hirten, der sein Leben für uns gelassen hat uns vorangeht und sagt: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Mein Vater, der mir sie gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann sie aus des Vaters Hand reißen. Ich und der Vater sind eins.“ (Johannes 10, 27-30)

Wer auf SEINE Stimme hört, der muss die Wölfe nicht fürchten, mögen sie auch noch so laut heulen. Möge die vor uns liegende Sommer- und Urlaubszeit, auch dazu dienen, SEINE Stimme neu zu hören.

Ihr/Euer Pfarrer Tino Bahl